Löffler, Davor (2013): „Leben im Futur II Konjunktiv. Über das Phänomen Atmosphäre und dessen Bedeutung im Zeitalter der technischen Immersion“, in: Institut für immersive Medien (Hg.), Jahrbuch immersiver Medien 2013. Atmosphären: Gestimmte Räume und sinnliche Wahrnehmung, Marburg: Schüren, S. 23-37.
Abstract
Die in kommunikationstechnologischen Medien vermittelten Immersionswelten durchdringen und überwölben zunehmend die Lebenswelt. Apparative Immersionen bestehen in erster Linie aus dem Erlebnis hergestellter Atmosphären, die Befindlichkeiten auslösen, durch welche die abstrakt-symbolischen Interaktionsräume überhaupt erst leibliche Relevanz erhalten. Eine Klärung des Verhältnisses von Immersion und Atmosphäre steht bislang noch aus. Hierzu wird ein Atmosphärenbegriff entwickelt, der an die Phänomene des Immersiven anschließbar ist. Das Erleben von Atmosphären hat einige besondere Merkmale, die von den vorliegenden Atmosphärenkonzepten nicht berücksichtigt werden. Besonders der Aspekt der Zeitlichkeit, der sich als zentral für die Entstehung von Atmosphären erweist, wird nicht hinreichend in die Entwürfe einbezogen. Darauf reagiert eine Atmosphärenkonzeption, die auf drei an den Paradigmen des Em-bodiment und Enaktivismus orientierten Theoriemodulen aufbaut. Diese erlauben die Affizierung der leiblichen Befindlichkeit durch Umweltwahrnehmungen zu konzeptualisieren, wie sie für Atmosphären typisch ist. Atmosphären können hernach als ein Gemütszustand neben Emotionen und Stimmungen verortet werden. Es zeigt sich, dass Atmosphären als eine eigene Kognitionsform für imaginär vollendete Zukünfte organischer Zustände auffassbar sind, die dem Subjekt im Latenten verborgene Handlungen und imaginäre Körper-Umwelt-Relationen vermitteln. Immersionswelten können nunmehr aus der Leiblichkeit des Menschen verstanden werden, womit auch die Medientheorie und Soziologie eine neue Untersuchungsperspektive gewinnt. Im Zeitalter der Immersion tritt eine neue Art von Vergesellschaftung auf, die atmosphärisch vermittelte Intensitäten zum Gegenstand hat.
Abstract (English)
Immersive worlds provided by technological media are more and more protruding and overarching the lifeworld. Technologically enabled immersions essentially consist of the experience of atmospheres which trigger states of mind and thereby establish a connection between abstractsymbolic realms and bodily relevancies. A profound analysis of the relation between immersion and atmospheres is still outstanding. In this paper a concept of atmospheres is presented that relates this type of experience to the phenomena of immersivity. The perception of atmospheres is characterized by some specific cognitive attributes that are not taken into account by the current concepts of atmospheres. In particular, temporality, which proves to be central to the constitution of atmospheric experience, is not sufficiently credited. In order to address this conceptual challenge, the concept of atmospheres developed in this work is based on three theoretical modules that are derived from the paradigms of embodiment and enactivism. The synthesis of the modules allows for a conceptualization of the affection of bodily and mental states by the perception of environmental objects and situations, as is typical for atmospheres. In this way, atmospheres can be considered certain states of mind, alongside moods and emotions. It is shown that the atmospherical colouring of perception can be understood as the type of cognition for the arousal of implicit readiness to act and for potential future operations or body-environment relations. By showing that immersive realms are based on atmospheric cognition, media theory and sociology also gain new perspectives. With the upcoming age of immersion a new type of socialisation emerges that is based on atmospherically mediated intensities.
*Keywords: Atmosphäre, Ästhetik, Immersion, Embodiment, Affordances, Enaktivismus, Predictive Processing, Active Inference, Emotionstheorie, Leib, Temporalität, Gestalt, Zeitgestalt, Erscheinungscharakter, Worldmaking, Virtuelle Realität, Sakralität, Kognitionswissenschaft, Religionswissenschaft, Kultursoziologie.